5.
Die romantische Gegenbewegung und ihre Auswirkungen im Hotzenwald
Als
"Gegenschlag gegen Revolution und Vernunft" (Srbik 1960 S. 169) und
den aus ihnen erwachsenen Veränderungen in Staatsverwaltung, Wissenschaft,
Technik und Verkehr vor allem dann in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts,
gilt die Romantische Bewegung (1)
In enger Verbindung mit den Herausforderungen der Zeit, zu denen ganz besonders
die Befreiungsbemühungen gegen die napoleonische Fremdherrschaft gehörten,
bildete sich ein neues "Nationalgefühl" heraus, das seinen Ausdruck
im Begriff vom "Deutschen Volkstum" und der Erforschung seiner Eigentümlichkeiten
fand (2). Das Mittelalter wurde als das goldene Zeitalter der Deutschen gepriesen
und entgegen aller historischen Realitäten, verklärt. Im "Heiligen
römischen Reich deutscher Nation" bildeten Papst und Kaiser über
weite Strecken eine symbolkräftige Einheit - trotz aller Differenzen und
Gegensätze - und der (katholische) deutsch-römische Kaiser in Wien war
ein Symbol dieser Gemeinsamkeit. Im Mittelalter hatte es noch keine konfessionelle
Trennung gegeben. Das "Goldene Zeitalter" zu dem die romantisch orientierte
junge Generation in gebildeten Kreisen zurückstrebte, war ein Katholisches,
in Deutschland mit germanischem Einschlag, in dem sich ritterlicher Adel und schlichtes
biederes Bauerntum zu einem neuen Idealbild entwickelte.
Diese
Verklärung des Alten, dessen, was verloren war und das in Volkslied (z. B.
Des Knaben Wunderhorn), in Dichtung (z. B. Novalis, Scheffel), Sammlung von Sagen
und Märchen (z. B. Gebrüder Grimm) und der Malerei (z. B. Schwind) als
Schätze gehoben bzw. geschaffen wurde und sogar in Bauwerken einen hohen
Symbolgehalt gewann (z. B. Wartburg, Hohenzollern, Lichtenstein…) führte
einmal zur Herausbildung einer neuen, die deutschen Einzelstaaten übergreifenden
Identität, die 1870 unter Preußen die Identifizierung aller Volksgruppen
mit dem neuen Deutschen Reich erleichterte.
Sie verführte allerdings
zugleich, wenn auch nur vorübergehend, Bevölkerungsteile in ländlichen
Regionen dazu, da sie schon immer (denken wir an den großen deutschen Bauernkrieg)
die Erhaltung der von "alters her gekommenen Rechte und Privilegy" verteidigten,
sich wieder darauf zu besinnen.
Dieser
Argumentationsstrang - zurück zum Alten und Abwehr von Veränderungen
- fand sich bereits als zentrales ideologisches Element in den Vorstellungen des
Salpeterersieders Hans-Fridolin Albietz und forderte dann in einer Zeit, in dem
der protestantische badische Staat als Verursacher aller Neuerungen galt, und
sogar noch die von alters her geübten religiösen Bräuche abgeschafft
wurden, die Traditionalisten unter der bäuerlichen Bevölkerung heraus.
Heinrich
Schreiber, Großherzoglicher Geistlicher Rat und Professor der historischen
Hilfswissenschaften in Freiburg, der sich schon früh (1839) mit der Salpeterergeschichte
befasste, ging davon aus,
"dass
die Bestrebungen der Waldbewohners in diesen Gegenden mit seiner Lage, seinem
Charakter und seiner ganzen Geschichte zu eng verflochten sind, als dass dieselben
so bald dem Lichte der Aufklärung und den milden Maßregeln einer väterlichen
Regierung weichen würden…"
"Der Hauensteiner trennt sich
von seinen Bergen selten, seine Reisen beschränken sich auf Wallfahrten nach
Einsiedeln und Maria Stein…
Er hängt eigensinnig am Alten…
bei Einzelnen und ganzen Familien ist ein Hang zur politisch-religiösen Schwärmerei…
Wie das Jahr 1815 mehr noch bürgerlicher, so tritt das Jahr 1832 nach kirchlicher
Richtung hervor…" (S. XIV)
Des
Hauensteiners Vorbild, so bestätigt aus unmittelbarem Miterleben heraus Heinrich
Schreiber, ist die mittelalterliche Reichsfreiheit der Bergkantone und deren mittelalterlicher
kirchlicher Glaube (S. XV).
An
diesem Beispiel wird der Zusammenhang zwischen romantischen Vorstellungen und
unserer Hauensteiner Salpeterer recht deutlich, wenn diese das selbstverständlich
so nicht wahrnehmen konnten (3) und bis heute Belge dafür fehlen, dass sie
sich auf Vertreter der Deutschen Romantik beriefen.
Die
Exponenten der katholischen romantischen Bewegung wirkten, wie erwähnt, vor
allem von den Klöstern Maria Stein und Einsiedeln und der päpstlichen
Nuntiatur in Luzern aus und taten alles, was in ihren Kräften stand, um den
Auswirkungen der Aufklärung in Staat, Gesellschaft und Kultur entgegenzuwirken.
Es ging hier vor allem anderen darum, den Einfluss des Heiligen Stuhls zu erhalten
und der Gefahr einer Art deutschen katholischen Nationalkirche entgegenzutreten.
Die Einwirkungen
der romantischen Schule auf die kirchlichen Zustände in Baden traten bereits
1805 und 1806 in den Personen Klemens von Brentano und Joseph Görres öffentlich
hervor und artikulierten sich auf dem Wiener Kongress durch Friedrich von Schlegel
und dem Rat Schlosser aus Frankfurt, die der Aufklärung innerhalb der katholischen
Kirche und damit zugleich Ignaz Heinrich von Wessenberg, offen entgegentraten.
"… es war das erste bedeutsame Eingreifen der romantischen Schule in
das kirchliche Leben" stellt Hermann Lauer fest (1908, S. 97)
Allein
die Bedingung, dass Priester auch dem Großherzog gegenüber einen Treueid
ablegen mussten oder, was noch als viel einschneidender erlebt wurde, nur regierungstreue
Priester, die nur dem (ebenfalls regierungstreuen) Bischof, nicht aber dem Papst
"folgen" durften, führte endlich dazu, dass salpeterische (also
am Alten und allein dem Papst anhängende) Gläubige, die eigenen Kirchen
mieden und ihre Kinder nicht mehr in die von "unkatholischen" Priestern
und Lehrern verwalteten Schulen schickten.
Einige
von ihnen verharrten in ihrem konsequenten und passiven Widerstand auch dann,
als die Gründe ihrer Ablehnung längst hinfällig und die Reformen
weitgehend rückgängig gemacht worden waren. Ihr Vertrauen in die Staatsorgane
und dem mit ihm versöhnten Klerus blieb zerstört.
Es
kann bilanzierend festgestellt werden, dass es zwischen der salpeterischen Sekte
im neunzehnten Jahrundert und der romantischen Bewegung in Deutschland - auch
zur "katholischen Romantik" - eine indirekte, gleichsam geistesverwandte
Beziehung gab, wenn an die, den Widerstand fördernden und nährenden
katholischen Kreise gedacht wird, wie sie von Anfang an durch die Klöster
Einsiedeln und St. Gallen sowie die päpstliche Nuntiatur in Luzern gegeben
waren.