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Über die Freiheit |
„Freiheit,
die ich meine…“
1.
"Freiheit" – ein heute gern verwendeter Begriff
Ich habe den Eindruck, dass ich in
dieser Zeit, und ich möchte sagen, seit etwa zwei Jahren, in den Medien
noch nie so oft von „Freiheit“ habe reden hören, wie vor dem
Fall der Mauer. Der Begriff "Freiheit" löst erhabene
Gefühle aus, noch dazu, wenn er in ohnedies emotional besonders
angereicherten historischen Situationen Verwendung findet. Da aber der Begriff
inhaltlich leer bleibt, sich also jedermann etwas anderes darunter vorstellen
kann, ist er im Grunde für einen Hörer oder Leser unter dem
Gesichtspunkt von aufklärender Information wenig hilfreich. Da
müssten wir schon etwas genauer hinschauen.
Zum Beispiel in die Gegenwart, in der
"Freiheit" eine sehr große, sogar das Leben vieler Menschen bedrohende
Rolle spielt. Wer sich die Reden des amerikanischen Präsidenten Bush
anhört, mit der dieser seine Aggressionen gegen "Staaten des
Bösen" oder erfundene oder tatsächliche "Terroristen"
legitimiert, erfährt, dass es um die "Freiheit" geht. Es
müsste also danach gefragt werden: Herr Bush, was meinen Sie mit
"Freiheit"?
Und dann wird er vielleicht auf die
USA deuten und antworten: "Die Verhältnisse, wie wir sie haben: das
ist Freiheit".
Und wieder wissen wir nichts
Konkreteres. Mir fällt dazu lediglich ein, dass es in den USA mehrere Millionen
Einwanderer gibt, die rechtlos sind, dass die USA die geringsten Benzinpreise
haben dafür aber den größten Anteil an der
Klimaverschlechterung und sich weigern, dem "Kyoto - Protokoll"
beizutreten, dass in den Vereinigten Staaten nur Millionäre die Chance
haben, Präsidenten zu werden oder dass amerikanische Konzerne danach
streben, in möglichst allen Ländern der Welt Gewinne zu machen und
mit ihrer wirtschaftlichen Macht auch politischen Einfluss zu haben und dass
die US-amerikanische Regierung versucht, dieses ihr Freiheitsverständnis
mit offener militärischer oder verdeckter wirtschaftlicher Macht auch in
anderen Staaten durchzusetzen. Und es muss offen bleiben, ob diese, Völker
und Staaten Herrn Bushs Verständnis von "Freiheit" teilen.
Oder denken wir in diesem Zusammenhang
an längst Vergangenes, wie zum Beispiel die Rolle der USA in Chile, als
ein demokratischer Sozialist versuchte, sein Land von dem Diktat der
US-amerkanischer Konzerne, die die Kupferminen Chiles kontrollierten, zu
befreien. General Pinochets Staatsstreich, der der Regierung Allende und ihm
selbst den Todesstoß versetzte, „gehörte zu den klassischen
Instrumentarien der US-inspirierten Doktrin der nationalen Sicherheit“
(Achermann, Ulrich: Wie starb Salvador Allende?“ in: Badische Zeitung v.
09.06.2011, S. 3) bzw. einem typischen US-amerikanischen Freiheitsverständnisses.
Es wird aber wieder andere Menschen
geben, die die USA als das "freieste Land" der Welt erlebten. Ich
weiß von einem jungen Mann aus meiner Nachbarschaft, der mehrere Jahre
ohne Aufenthaltserlaubnis dort an der Grenze zu Kanada lebte und sich als
Musiker seinen Lebensunterhalt verdiente. Niemand hatte ihn dort nach dem Woher
oder Wohin gefragt. Er schwärmt bei jedem seiner Besuche von dem freien
Leben dort. Irgendwann hatte er eine US-Staatsbürgerin geheiratet und
konnte sich einbürgern lassen.
Je nach Standpunkt und eigenen
Erfahrungen wird also jedermann "Freiheit" anders definieren. Und
allein schon, dass jeder diese Deutungshoheit bei uns besitzt und ihm von
niemandem vorgeschrieben wird, wie er "Freiheit" zu verstehen habe,
ist ein wesenhaftes Merkmal der Freiheit in einem durchaus konkreten Sinne.
Ihre Relativität wird jedoch
sofort deutlich, wenn wir daran denken, dass jeder von uns in Gemeinschaften
eingebettet ist: in eine Familie, in Schulen, Ausbildungsstätten,
Arbeitsplätzen, Wohnquartieren oder als Teilnehmer am
Straßenverkehr, um nur einige dieser sozialen Institutionen zu nennen.
Und jede von ihnen ist gekennzeichnet durch eine Fülle an geschriebenen
oder ungeschriebenen Normen, die jedem sagen, wo die Grenzen seiner Freiheiten
liegen. Wir können zwar feststellen, dass niemand gezwungen ist, in eine
bestimmte Familie einzuheiraten, in einem bestimmten Betrieb zu arbeiten oder
am Verkehr teilzunehmen. Wer sich aber entschieden hat, muss die Folgen wollen
oder einfach akzeptieren. Goethe lässt im "Faust" Mephisto in
Bezug auf die Freiheit der Entscheidung für einen eingeschlagenen Weg sehr
treffend sagen: "im ersten sind wir frei - im zweiten sind wir
Knechte". Im Volksmund heißt das: „Wer A sagt, muss auch B
sagen“.
Es gibt also keine unbegrenzte
"schrankenlose" Freiheit. Nicht im Leben eines Einzelnen noch im Leben
einer Gruppe bzw. Gesellschaft. Und schon gar nicht, wenn es um kulturelle
Normen geht, wie sie zum Beispiel in religiösen Gemeinschaften gelten.
Gerade gestern (am 06.04.05) war in einer Predigt anlässlich des
Papsttodes, die der Kölner Kardinal Lehmann hielt, viel von
"Freiheit" die Rede. Es argumentieren also politisch und
wirtschaftlich Mächtige aber auch Kirchenfürsten gleichermaßen
mit diesem Begriff. Und in jedem Falle sprechen sie von etwas anderem. Nur der
Begriff ist gleich. Und die emotionalen Assoziationen ihrer Zuhörer: die
sind positiv.
Ein Blick zurück:
In der BRD wurde der 17. Juni
jahrzehntelang als Tag der Freiheit begangen. Es gab sogar eine "Freiheitsglocke",
die vom Westberliner Schöneberger Rathaus bei diesen und anderen feierlichen
Anlässen erklang. Das war genau so eine eigenwillige und einseitige
Interpretation von Freiheit. Das passte zwar in das politisch-ideologische
Konzept des Kalten Krieges, hatte aber mit dem Anlass, den Arbeiterunruhen in
der DDR 1953 wenig zu tun (vgl. dazu den Bericht: "Mein siebzehnter
Juni" in: www.salpeterer.net).
Oder denken wir an die
"Montagsdemonstrationen" unter der Parole "Wir sind das
Volk". Auch damals ging es um die "Freiheit". Und zwar ganz
konkret um "Reisefreiheit" oder gar um "freie Fahrt für
freie Bürger", wie sie von der Automobillobby bei uns gefordert
wurde, und was die DDR-Bürger auch gern wollten. Es ging weiter um
Bürgerrechte wie "Meinungsfreiheit",
"Gewissenfreiheit", "Gewerbefreiheit" und andere
Freiheiten. Es ging also um Freiheiten für etwas, was offensichtlich so
nicht vorhanden war.
Es ging den DDR-Bürgern aber auch
um Freiheit von etwas! Wir sprechen dann üblicher Weise von
"Befreiung". Zum Beispiel wollten viele DDR-Bürger nichts mehr
wissen von einer Partei, die "immer recht hat" oder frei sein von
Ängsten vor politischer Verfolgung. Im November 1989 fiel Ulbrichts Mauer.
Mit den neuen Freiheiten erhielten sie auch alle anderen, die wir in der BRD
längst hatten. Wer Geld hat, kann nun hinfahren wohin er will. Wer viel
hat, kann sogar in Hotels wohnen und sich verwöhnen lassen ohne dass es
jemanden interessiert, wo er her kommt, was er ist oder woher er sein Geld hat.
Jeder besitzt, wie schon wir in der
BRD zuvor, die Freiheit, auf die Politik und die Politiker nach Herzenslust zu
schimpfen. Er darf dessen gewiss sein, dass niemand der Betroffenen davon Notiz
nimmt und keiner auf die Idee kommt, sein Schimpfen Ernst zu nehmen und als
staatsgefährdend zu verfolgen. Er hat die Freiheit, seine Meinung zu
sagen, solange er damit keine rechtsstaatlichen Regelungen verletzt.
Jedermann erlebt nun auch in den neuen
Bundesländern, was wirtschaftliche Freiheit bedeutet. Da denke ich an das
Recht auf die Freiheit von Wirtschaftsunternehmen, so zu schalten und zu
walten, dass sie eine größtmögliche Rendite erzielen.
"…nie im Leben hätte
ich mir vorstellen können, dass die Wirtschaftsunternehmen aus dem Westen
wie Raubtiere in Ostdeutschland einfallen würden", schreibt Carola
Stern in ihren Erinnerungen (Doppelleben. Köln 2001, S. 283).
Mit diesen Elementen ihrer neu
gewonnen Freiheit, hatten die DDR-Bürger sicher nicht gerechnet. Auch
nicht damit, dass unser westdeutsches Verständnis von Freiheit gekoppelt
ist mit einem ungewöhnlich hohen Ausmaß an Eigenverantwortung.
Vermutlich hätten sie dann auch nicht anders entschieden, weil ihnen
bestimmte persönliche wie politische Freiheitsrechte, Religions- und
Gedankenfreiheit, Versammlungs- und Redefreiheit oder gar frei zu sein von der
Angst vor Leistungsdruck in der Produktion (sozialistischer Wettbewerb) und von
staatlichen Kontrolle (Stasi) und viele andere wichtiger waren, als die mit der
Wiedervereinigung verbundenen persönlichen Risiken.
Hierzu eine persönliche
Anmerkung: Als ich in den fünfziger Jahren von der DDR in die BRD überwechselte,
kam ich genau deswegen hier her, weil ich ohne die Abhängigkeit von
politischen Parteien, Jugendorganisationen oder Gewerkschaften "Herr
meiner selbst" und damit "meines Glückes Schmied" sein
konnte Ich musste allerdings - zunächst zu meiner Überraschung -
feststellen, dass die "Zwänge" innerhalb von Institutionen, wie
zum Beispiel in Industrie und Handwerk, hier nicht geringer waren als in der
DDR. Im Gegenteil! (Vgl. dazu meinen Aufsatz: "Erziehung und Bildung in der
DDR" in: Neue Praxis Nr. 4/1993, S. 328 - 345).
Und noch ein Gesichtspunkt soll
erwähnt werden: Freiheit für etwas oder für jemanden kann
durchaus Freiheit gegen etwas oder gegen andere bedeuten. Es gibt zwar eine
Redewendung nach der die Freiheit des Einzelnen (oder einer Gruppe) dort endet,
wo die des anderen beginnt. Im Alltag aber begegnen uns immer wieder Menschen,
die sich Freiheiten herausnehmen, ohne die der Anderen zu achten. Wir sprechen
dann von Rücksichtslosigkeit oder gar Terror. In Deutschland steht es
– auch das erleben wir in diesen Tagen - zum Beispiel LKW Fahrern frei,
eine Autobahn oder eine andere Straße zu benutzen. Nicht nur bei uns im
Landkreis meiden LKW Fahrer mautpflichtige Strecken und zwängen sich
stattdessen durch Dörfer und Städte und terrorisieren deren Bewohner
durch den Lärm und die Vibrationen, die ihre Fahrzeuge verursachen.
Ähnliches gilt auch für bestimmte Motorräder oder das Fahrverhalten
ihrer Besitzer. Bei uns im Südschwarzwald hört man nicht selten an
den Wochenenden, wie derartige Zweiradfahrer mit lautem durchdringendem Geheule
über die Straßen fahren und noch über lange Zeit und aus weiten
Entfernungen so zu hören sind, dass ein "Ruheforscher" (so ein
Werbeslogan unserer Landschaft) schleunigst die Fenster schließt oder
sich die Ohren zu hält. Zur Freiheit, so wurde oben angemerkt, gehört
also stets Verantwortung. Freiheit aber ermöglicht, wie die Beispiele zeigen,
aber auch verantwortungsloses Handeln. Mit Freiheit richtig umzugehen, das
heißt die Freiheiten oder das Freiheitsverständnis der anderen
Menschen zu achten. Dieses Prinzip sollte nicht nur im Straßenverkehr
sondern auch im Verkehr der Staaten und Kulturen miteinander gelten.
Dass wir in unserem Alltag immer
wieder auf den Freiheitsbegriff auch in ganz anderen Zusammenhängen
stoßen, soll zum Schluss dieses Abschnitts noch an zwei aktuellen
Beispielen illustriert werden:
Hotzenwälder Gemeinden werben in
einem Prospekt für den Besuch dieser zweifellos reizvollen
Schwarzwaldregion. Auf dem Faltblatt können wir unter anderem lesen:
"Das Auge kann ungehindert in die
Ferne schweifen und der Begriff "Freiheit"
bekommt wieder eine neue Dimension"
Und unter der Überschrift:
"Musik und Welterfahrung im Zeichen des Adlers" lasen wir am 8.
März 2005 in unserer Tageszeitung in einem Bericht über ein Konzert:
"Der Adler ist für den
Musiker ein Bild für innere Freiheit. Wie sich der Vogel in die Lüfte
erhebt, so will er sich im Geiste von äußeren Zwängen frei
machen…"
Freiheit begegnet uns also
ständig und es lässt sich an den geschilderten Beispielen recht gut
nachvollziehen, dass "Freiheit" ein recht schillernder und beliebig
verwendbarer Begriff ist. Und wer für Freiheit eintritt, der sollte
jeweils wenigstens - und zwar nachprüfbar und ehrlich - hinzufügen,
was er meint und sagen, warum er für wen bzw. für was er welche
Freiheiten wünscht oder von was bzw. von wem er frei sein will.
Dass dieser Begriff
"Freiheit" schon in früheren Perioden unserer Geschichte
Bedeutung hatte, daran wird nun erinnert und an weiteren Beispielen seine
Beliebigkeit nachgewiesen.
Es wird sich im folgenden Abschnitt
nur um eine recht subjektive und fragmentarische Auswahl handeln. Neben mir
liegt das Traktat 1522 über "Die Freiheit eines Christen", das
Martin Luther 1522 verfasste. In unseren öffentlichen Bibliotheken
befinden sich noch eine Fülle an derartigen theologischen, historischen,
philosophischen oder politischen Texten über die "Freiheit", auf
die von mir nicht eingegangen wird.
2.
Die Freiheit in Lied und Dichtung
"Wohlauf Kameraden aufs Pferd,
aufs Pferd
Ins Feld, in die Freiheit
gezogen!"
Und das Lied endet mit den Zeilen:
"Und setzet ihr nicht das Leben
ein,
nie wird euch das Leben gewonnen
sein!"
Friedrich Schiller hat dieses Gedicht
geschrieben. Es wird in seinem Schauspiel „Wallenstein“ von Landsknechten
gesungen, die im Dreißigjährigen ihr Leben gegen Bezahlung
einsetzten und für den Meistbietenden, so würden wir heute sagen, in
den Kampf zogen. Auch heute gibt es noch den Beruf des Söldners, wie die
modernen Landsknechte heißen. Deren Motivationen sind recht
unterschiedlich. Da gab es zum Beispiel nach dem zweiten Weltkrieg jene, die
sich an das "Kriegshandwerk" so gewöhnt hatten, dass sie davon
nicht lassen wollten und die in der französischen Fremdenlegion willkommen
waren. Und dort galt, wie bereits Schillers Freiheitsbegriff in diesen Versen,
das "Feld" also die Schlacht, der Kampf um das eigene Leben als der
Inbegriff von Freiheit.
Dass Friedrich Schiller auch einem
anderen idealistischen Freiheitsbegriff huldigte, kommt besonders in seinem
"Wilhelm Tell" zu Ausdruck. In diesem Drama ging es sowohl um die
Freiheit im Sinne von "Befreiung" als auch um die Freiheit
wofür. In diesem klassischen Freiheitsdrama geht es um die Befreiung von
Einzelnen aus ihrem unfreien Stand als auch um die Freiheit eines Volkes.
Dieses "Freiheitsdrama" wirkte sich maßgeblich auf die
Identität des Schweizervolks bis in unsere Tage hinein aus. Die
Auswirkungen dieser dichterischen Hymne an die Freiheit auf die politischen
Realitäten beweisen die Kraft des Freiheitsideals.
Nur wenige Jahrzehnte nach Friedrich
Schillers Tod gewann der Freiheitsbegriff erneut eine hohe politische
Bedeutung, wie uns die folgende Lieder und Hintergründe ihres Entstehens
zeigen:
"Freiheit, die ich meine,
die mein Herz erfüllt.
Komm mit deinem Scheine
Süßes Engelsbild!
Magst du nie dich zeigen,
der bedrängten Welt?
Führest deinen Reigen nur am
Sternenzelt?"
Text von Max von Schenkendorf 1813
In: "Bruder singet" im
Auftrag des Arbeitskreises für Hausmusik herausgegeben von Hermann Peter
Gericke u. a. erschienen 1951 im Bärenreiter Verlag Kassel
Schauen wir auf die Jahreszahl, dann
ist jedem klar, dass es hier um die Freiheit Preußens und Deutschlands
von der napoleonischen Herrschaft ging. Im Geschichtsbuch steht über
dieser Periode "Die Freiheitskriege". Auch hier ist also ganz klar,
dass Max von Schenkendorf die Befreiung von der französischen Besetzung
beziehungsweise die Freiheit für das deutsche Volk meinte.
Einhundertzwanzig Jahre später
werden an Lagerfeuern der Jugend und bei Festlichkeiten Erwachsener in
Deutschland folgende Verse gesungen:
"Nur der Freiheit gehört
unser Leben.
Lasst die Fahnen dem Wind,
einer stehe dem andern daneben
aufgeboten wir sind.
Freiheit ist das Feuer,
ist der helle Schein,
solang sie noch lodert,
ist die Welt nicht klein."
Von
Wieder ein Gedicht, dass sich recht
gut liest und dessen Melodie alle die Jugendlichen, die das einst lernten,
nicht vergessen werden.
"…erst kommt meine Heimat,
und dann die andern vielen, erst kommt mein Volk, dann die Welt"
hieß es in einem Gedicht, das
damals bereits jeder Grundschüler lernte.
Es erscheint mir bezeichnend zu sein,
dass der Freiheitsbegriff in Liedern und Texten gerade fundamentalistischer
Ideologien eine herausragende Rolle spielt. In diesen Zusammenhängen
sprechen derartige Texte und die dazu passenden Melodien die Gemüter
besonders der jungen Menschen an. Was heute die ständig wechselnden
Jugend-Musikstile mit ihren jeweiligen Interpreten erreichen, nämlich
große Gruppen Heranwachsender bis zur Ekstase aufzupeitschen, dass gelang
und gelingt in totalitären Staaten und Gruppen ebenfall mit Hilfe von
Texten und Liedern. Dort werden derartige "Techniken" zu einem ganz
offenen Programm, wie es zum Beispiel in den fünfziger Jahren der sowjetische
Film "Erziehung der Gefühle" zeigte oder wie wir es heute in der
rechtsradikalen Szene sehen und hören können..
Natürlich hatten auch die
politischen Gegner des Faschismus ihr Liedgut. Es hat wohl niemand, der in der
DDR lebte, das Lied von den Internationalen Brigaden, die in den
dreißiger Jahren gegen Franco in Spanien kämpften, vergessen.
"Spaniens Himmel breitet seine
Sterne
über unsere Schützengräben
aus.
Und der Morgen leuchtet in der Ferne,
bald geht es zu neuem Kampf hinaus.
Die Heimat ist weit
Doch wir sind bereit
Wir kämpfen und siegen für
dich:
Freiheit!"
Aus: Leben Singen Kämpfen.
Liederbuch der Deutschen Jugend. Hrsg.: Alexander Ott im Auftrag des
Zentralrats der Freien Deutschen Jugend.
Berlin 1954, S. 226
Der Texter dieses Liedes des
"Thälmann-Batallions" ist unbekannt. Die Melodie ist von Paul
Dessau. So wie in diesem Lied, in dem es um das Recht und die Freiheit der
Spanier ging, ihre demokratisch gewählte Regierung zu behalten, findet
sich der Freiheitsbegriff in mehreren Texten des Liederbuchs aus der DDR. So im
"Buchenwaldlied", wo es um die Freiheit geht, nach der sich jeder
Häftling sehnt (S. 222), es geht um die Freiheit von Ausbeutung durch
Unternehmer (aus England und den USA, S. 168), oder um Freiheit für die
Heimat von fremder Besetzung (aus Griechenland, S. 244) u. a.
Dass auch in den patriotischen
Gesängen der untergegangenen Sowjet-Union die Freiheit nicht fehlt, darf nun
niemanden mehr überraschen. In der DDR wurde "Das Lied vom
Vaterland“ gesungen, eine Hymne, die Erich Weinert aus dem Russischen
übersetzt hatte. Im Refrain heißt es:
"Vaterland, kein Feind soll dich
gefährden,
teures Land, das unsre Liebe
trägt;
denn es gibt kein andres Land auf
Erden,
wo das Herz so frei dem Menschen
schlägt..."
"Überall die Bahn frei
unsern Jungen" und "befreit von Sklavennot und Sorgen"
heißt es in anderen Strophen des gleichen Liedes.
Diese wenigen Beispiele weisen nach,
dass "Freiheit" auf vielen Fahnen geschrieben steht, die Menschen und
ganzen Staaten voranflatterten bzw. voranflattern.
Gemeinsam ist all den Kämpfen
für oder um eine Freiheit bzw. gegen eine Unfreiheit eine große
Tragik: Für die jeweils angesprochene Freiheit ließen und lassen
viele Menschen ihr Leben. Und wenn Max von Schenkendorf 1813 ebenfalls mit
seinem Gedicht "Freiheit, die ich meine…" an die
Freiheitskriege dachte, heißt es sogar in einer Strophe
„...Für die Liebsten
fallen,
wenn die Freiheit ruft -
das ist rechtes Glühen
frisch und rosenrot
Heldenwangen blühen
schöner auf im Tod..."
Einige dieser Opfer und ihre
Hinterbliebenen sahen also in ihrem Tod und Leid sogar einen Sinn. Sie waren
bereit für eine für sie konkrete, definierte Freiheit zu sterben. So,
wie es Schiller auch im "Wilhelm Tell" aussprach:
"Wir wollen frei sein, wie die
Väter waren,
Eher den Tod, als in der Knechtschaft
leben."
Es bleibt zu hoffen, dass es den
jeweiligen Opfern tatsächlich jeweils frei stand und frei steht, für
die Freiheit, wie sie sie für sich verstehen, zu kämpfen und zu
sterben. Dass sie also auch in Bezug auf diese Entscheidung frei waren. Und das
lässt sich wohl für alle jene "Freiheitskämpfer"
annehmen, für die Schiller sein Schauspiel verfasste. Vielleicht gilt die
Entscheidungsfreiheit auch für die Landsknechte bzw. Söldner unserer
Tage, die für jene „Freiheit“ töten und getötet
werden, die ihnen von ihren Kriegsherren eingebläut werden, obwohl das
nach meinem Verständnis absurd erscheint. Dazu passt der Refrain eines in
der DDR viel gesungenen Liedes, in dem es heißt
„…vorwärts ist die große Losung – Freiheit oder
Tod!“ (Aus „Hold the Fort“ Kampflied englischer und
amerikanischer Arbeiter. In: Leben Singen Kämpfen. Liederbuch der
Deutschen Jugend. Hrsg.: Alexander Ott im Auftrag des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend. Berlin 1954, S.
168
Obwohl um diese, nicht selten
zynische, Verwendung eines Begriffs jeder von uns weiß oder wissen
müsste, weil wir ihm in unserer Geschichte bereits mehrfach aufgesessen sind,
bleibt "Freiheit" positiv besetzt. Auch ich möchte daran nicht
rütteln. Immerhin heißt es in unserer Nationalhymne "Einigkeit
und Recht und Freiheit" - also auch da spielt Freiheit eine Rolle. Als
Hoffmann von Fallersleben 1841 den Text schrieb, ging es ihm und vielen anderen
deutschen Patrioten um die Überwindung der Kleinstaaterei in Deutschland
aber auch um bürgerliche Freiheitsrechte, wie sie dann in der Revolution
von 1848 angestrebt wurden. Seit der Gründung der Weimarer Republik blieb
das "Deutschlandlied" bis heute als Nationalhymne erhalten.
Ich möchte zum Schluss noch
einmal auf Schenkendorfs Gedicht "Freiheit, die ich meine" verweisen,
und für diesmal die Betonung auf das "Ich" in der ersten Zeile
legen und die Aufforderung daran anknüpfen:
Gebrauche
niemand den Begriff "Freiheit", ohne hinzuzufügen, was sie/er im
genannten Zusammenhang mit "Freiheit" meint und zwar möglichst
konkret und bezogen auf die elementaren Lebensinteressen derer, die er
anspricht.
Vielleicht
gibt es einen überzeitlich und allgemein gültigen Freiheitsbegriff.
Doch
bedarf auch dieser einer Präzision beziehungsweise einer von jedermann auf
ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbaren Definition. Erst dann lassen
sich Missverständnisse und unzulässige Verallgemeinerungen oder
Verknüpfungen beziehungsweise Gleichsetzungen vermeiden.
Dr. Joachim Rumpf
79733 Görwihl, d. 07.04.2005
Interessant
ist auch ein Blick auf die allmähliche Verankerung des Freiheitsbegriffs
in den deutschen Verfassungen. So wurde in das „Allgemeine
Landrecht“, eine Art Grundgesetz für Preußen bereits 1794
Freiheit zugesichert. So die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Preußen, S.
481)
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