Der Benediktinerpater Lukas Meyer ist als
Joseph am 8. Januar 1774 in dem Weiler Holzschlag bei Gündelwangen,
einem kleinen Dorf in der damaligen Grafschaft Bonndorf
geboren. Den Namen "Lukas" wählte er in seiner Eigenschaft als
Mönch des Klosters St. Blasien, in dessen Gemeinschaft er wenige Jahre vor
deren Auflösung im Jahre 1801 eingetreten war. In seine kurze Lebensspanne
fielen die großen historischen und politischen Veränderungen der
Französischen Revolution und ihrer Folgen, die sich - ausgelöst und
durchgesetzt von Napoleon und seiner Armeen - auf ganz Europa auswirkten. So
erlebte Meyer die großen Umwälzungen in seiner Heimat mit, als der Breisgau
mit dem St. Blasianischen Gurtweil
genauso wie die vorderösterreichische Grafschaft Hauenstein an das neue
Großherzogtum Baden fielen. Er selbst hatte während seines Aufenthalts in den
Benediktinerklöstern St. Blasiens so wenig
Positives erlebt, dass er sich, nicht zuletzt im Zusammenhang mit seiner
ständigen Studien, zu einem, von der Aufklärung und ihren Toeleranzgedanken
beeinflussten liberalen Geistlichen hin entwickelte. An der Seite des
katholischen Reformators und Bischofsverweser Ignatz Heinrich von Wessenberg
(1774 - 1860), dessen Freund und Mitarbeiter er wurde, bekämpfte er
entschieden in Wort und Schrift überkommene Rituale in den lateinischen
Messen und viele der anderen Volks- und wundergläubigen Erscheinungen, die
sich vor allem in den vorderösterreichischen Gebieten des Schwarzwaldes
erhalten hatten. Als ein herausragendes Beispiel, herausragend darum, weil
sich selbst hohe Kirchen- und Regierungsstellen damit befassten, für
derartige Gepflogenheiten, kann der Fall der Agatha Tröndlin aus Murg zur Illustration herangezogen werden.
Die zweiundzwanzigjährige Frau litt, wie wir heute auf Grund der
Symptome erkennen können, an Epilepsie. Agatha, Tochter sehr frommer Eltern,
hatte sich schon als Kind geweigerte zur Messe zu gehen. Die Zwangsmaßnahmen
von Eltern undder soziale Druck aus der Gemeinde
führten dazu, dass Agatha ihre Anfälle stets in der Kirche bekam. Der Pfarrer
Georg Anton Fischer beschrieb ihre "Convulsionen"
genau, erklärte sie als Einflüsse des Teufels führte bei ihre
"Exorzismen" durch. Diese "teufelsaustreibende Rituale währen
der Gottesdienste, verstärkten natürlich die Krankheitssymptome.
Exorzismen waren zu diesen Zeitpunkt im Bistum Konstanz bereits seit zwei Jahren
verboten. Die katholische Geistlich keit war
gespalten in jene, die dem "Alten" anhingen und jenen, die aus der
neuen, reformierten Priesterschaft wessenbergischer
Seminar hervorgegangen waren. Zu ihren Förderern gehörte auch der Hertener
Pfarrer Vitus Burg (1768 - 1833), der später Bischof von Mainz wurde. Er
wandte sich an Ignatz von Wessenberg, und beklagte diese abergläubischen
Handlungen. Sogar die provisorische Regierung des Breisgaus wurde wegen
dieser in der Öffentlichkeit heftig diskutierten Vorfälle aktiv und ordnete
die Überführung von Agatha in eine Freiburger Klinik an.
In unserem Zusammenhang von Interesse ist, dass sich an diesem Beispiel die
Kluft nachweisen lässt, die sich zwischen Teilen der strikt am Alten
hängenden Ritualen und Glaubensvorstellungen katholischen Bevökerungsteile
und der sie führenden Geistlichen einerseits und der vom aufgeklärten
Bürgertum und ihnen folgenden Landbevölkerung sowie der einer sie
unterstützenden reformierten katholischen Weltgeistlichkeit andererseits eine
Spaltung vollzog.
In den Schriften über die Salpeterer des
neunzehnten Jahrhunderts lässt sich diese Entwicklung gut nachvollziehen.
Wenn auch im Jahre 1814 Ägidius Riedmatter von Buch sich geweigert hatte eine
von der neuen Badischen Obrigkeit geforderten Brandweinsteuer zu bezahlen und
junge Männer sich weigerten, der Rekrutierung des mit Napoleon verbündeten
Badischen Kurfürsten und späteren Großherzogs zu folgen, so vermischten sich
bald politische und religiöse Motive. Die Ägidler,
die von der Presse und den Behörden in die Tradition der Salpeterer gestellt
und fortan auch so genannt wurden, gehörten zu jenem Bevölkerungsteil, die
besonders entschieden gegen alle kirchlichen Neuerungen auftraten.
Der Historiker und politisch engagierte
Benediktinermönch war einige Jahre zuvor als Professor für Griechisch an des Lyceum nach Konstanz entsandt worden und dort, als
Wessenberg 1802 als Verwalter dieser Diözese seinen Dienst aufnahm, mit ihm
in Kontakt gekommen. Bald wurde er Mitarbeiter in der von Wessenberg
herausgegebenen kirchliche Zeitschrift "Geistliche Monatszeitschrift für
das Bistum Konstanz" (später "(Archiv für die
Pastoralkonferenzen") und trat entschieden für die Kirchenreformen
seines Freundes ein. Das konnten seine Vorgesetzten im Heimatkloster St.
Blasien nich hinnehnen
und beriefen ihn 1804 von Konstanz ab. Gleichsam als Verbannungsort wurde ihm
die Pfarrei Todtmoos zugewiesen. Es gelang ihm zwar, von dort bald nach
Oberried, und damit in die Nähe der Universität Freiburg und ihrer Bibliothekt versetzt zu werden. Seine ohnedies schlechten
Beziehungen zum Orden wurden durch derartige Schikanen aber weiter gelockert.
Als St. Blasien 1806 aufgelöst und die zu
St. Blasien gehörenden Pfarreien an das Großherogtum
Baden kamen, begab er sich gern auf die, nun vom Großherzog zu besetzende
Pfarrstellen, zunächst nach Nöggenschwiel (1809)
und anschließend (1813) nach Gurtweil. Der
entschiedene Anhänger der Wessenbergschen
Kirchenreformen wird von seinem ersten Biographen Heinrich Schreiber als freisinnig
und liberal bezeichnet, auf den die Aufforderung in ein Kloster
zurückzugehen, wie ein Todesurteil gewirkt hätte.
Als ein gewissenhafter Chronist und als
Historiker verfasste er nicht nur Chroniken, wie die seiner Pfarrei Gurtweil, die bereits 1814 fertiggestellt war, sondern
auch einen "Umriss der Geschichte von der alemannischen Landgrafschaft Alpgau oder Hauenstein (1820) und - wie sie Heinrich
Schreiber später überschrieb - eine "Geschichte der Salpeterer auf dem
Süd-östlichen Schwarzwalde". .
Insofern stehen beide gemeinsam, Joseph Lukas Meyer und Heinrich Schreiber
mit Viktor von Scheffel am Anfang der Salpetererrezeption.
Von Lukas Meyer wurde bereits 1815, also in
den ersten Jahren des Auftretens der Salpeterer im neunzehnten Jahrhundert,
von den großherzoglich-badischen Regierungsstellen (Direktorium des
Wiesenkreises und das Innenministerium) ein Bericht erbeten, Sowohl sein
erster Bericht "Skizze der Salperersekte auf
dem Schwarzwald" (März 1815 / GLA 187:58) als auch die folgenden
einschließlich entsprechender Ausführungen in seinen Veröffentlichungen
gewähren einen guten Einblick in die widersprüchliche Rezeption der
Salpetererunruhen.
Einerseits verklärte Meyer unter Bezug auf
die Anfänge der Bewegungen mit Hans Fridlin Albietz aus Burg als einen Freiheitshelden und rückte ihn
in die Nähe Wilhelm Tells. Andererseits verdammte er schon dessen Anhänger
und Erben in den Führungsrollen, wie den Eggbauern, als einen Revoluzzer, für
den das Volk allein die Obrigkeit sei und keine Regierung und keine
Geistlichkeit darüber sein dürfe.
An seinen zeitgenössischen Salpeterern ließ er kein gutes Haar. Sie waren für
ihn nach rückwärtsgewandte Sektierer, die die liberalen Segnungen ihrer Zeit
nicht zu schätzen wussten. In einem Gutachten an die Regierung schrieb er
sogar, dass man durch allzu milden Umgang mit ihnen, die Sekte immer nur
gestärkt habe. Die Regierung sollte hart durchgreifen und "die ganze
Giftnatter" ins Ausland verbannen (GLA 65:11419-3)
Er gründete seine Urteile, wie Viktor v. Scheffel und sein Studienfreund
Schillinger, - der großherzoglich-badischer Amtmann in Waldshut geworden war,
und mit dem er in enger Verbindung stand - aus dem unmittelbaren Erleben
dieser unbeugsamen Hauensteiner heraus.
Als Lukas Meyer am 19. September 1821 in Gurtweil starb, hatte er seine Aufzeichnungen und
Gutachten über die Salpetererbewegungen, zwar zu
einem Buch zusammengefasst, dieses aber nicht veröffentlicht. Noch über zehn
Jahre hinweg wurde in den Zeitungen jener Zeit wie im Landtag immer wieder
über die Salpeterer debattiert und gestritten. Das Thema war also aktuell
geblieben. Nicht zuletzt aus diesem Grunde bearbeitete die vorhandenen
Manuskripte der Historiker Professor Dr. Heinrich Schreiber und gab sie 1857
als Buch heraus.
Ich möchte zum Lebensschicksal von Lukas
Meyer auch auf Markus Jehle aus Gurtweil
verweisen, der, unter Verwendung eines Aufsatzes von Franz Hilger in der
Zeitschrift "Badische Heimat" Nr.3 / 1976 und anderer Quellen Lukas
Meyer eine Seite auf seiner Homepage "www.Salpeterer.info.de"
gewidmet hat.
Vgl. weiter:
Beringer Leo: Geschichte des Dorfes Gurtweil. Gurtweil 1960
Kies, Tobias: verweigerte Moderne? Zur Geschichte der Salpeterer im 19.
Jahrhundert. Konstanz 2004; darin besonders die Kapitel III.4 und VII.1
und das Literaturverzeichnis
Dr. Joachim Rumpf
79733 Görwihl im Juli 2006